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Interview mit Hagen Pflüger Wildlife Fotograf und Tour Guide aus Vancouver

In den kommenden Monaten stellen wir Euch in kleinen Porträts und Interviews Menschen aus Kanada vor. Wir haben Wildlife Fotograf und Tour Guide Hagen Pflüger aus Vancouver 15 Fragen zu seinem Neustart und Leben in Vancouver gestellt. Hagen ist nach Kanada ausgewandert und hat in Kanada eine neue Heimat gefunden. Bitte klickt direkt bei den Fragen auf das + Zeichen.

[kofi]

(Fotos: Hagen Pflüger)

Hagen magst Du Dich und Deine Touren kurz vorstellen?

Ich bin ein Naturliebhaber und Hobby Fotograf. Seitdem ich hier lebe, erkunde ich meine neue Heimat ständig auf der Suche nach neuen Fotomotiven oder Wanderwegen mit der Möglichkeit Tiere in freier Natur zu beobachten.  Ich hab wahrscheinlich hunderte wilde Tiere gesehen, aber es wird nie langweilig und ist immer wieder ein Erlebnis. Aber es sind nicht nur Bären, sondern auch Adler, Reiher und andere Vögel. Lachse, Kojoten, Eichhörnchen, Waschbären, Schildkröten. Was auch immer mir vor die Linse kommt, wird fotografiert und auf Instagram und Facebook, oder meiner eigenen Homepage veröffentlicht.

Wir wandern um Blaubeerfelder in der Nähe von Coquitlam / Port Coquitlam. Der Spaziergang kann bis zu 3 Stunden dauern. In den Sommermonaten, ca. von Juni bis Ende September, kann man mit ein bisschen Glück Schwarzbären in den Blaubeer Feldern beobachten. Manchmal laufen sie einem sogar über den Weg. Später im Herbst ist die Lachswanderung hautnah zu erleben. In einem der Bäche kann man sehr dicht rankommen und sie beinahe anfassen. Auf der Wanderung gibt es in der Regel sehr viele verschiedene Vogelarten zu sehen. Einschließlich dem Weisskopfseeadler und Fischreihern. Hier leben Schildkröten, Rehwild und Kojoten. Die Kamera nicht vergessen. Aber ich mache auch Bilder von der Wanderung. So sehr ich meinen Gästen wünsche das wir Tiere sehen, kann ich es aber leider nicht garantieren. Es sind wilde Tiere und daher nicht vorhersehbar.

Hagen, wie wird man eigentlich Tour Guide in Kanada?

Im Grunde war das ganz einfach: Um Tour Guide zu werden, braucht man eigentlich nur eine Business License (Gewerbeschein). Hilfreich ist es auch, wenn man sich auf den Touren auskennt, eine Fotokamera hat und ein wenig damit umgehen kann. Und natürlich, sollte man sich mit seinen Gästen auf Englisch unterhalten können. Etwas Glück gehört auch dazu: Ich bin von Airbnb vor 2 Jahren angesprochen worden, da ich eine Ferienwohnung über das Portal vermiete. Das Unternehmen hat vor ca. 2 Jahren eine Reiseservice namens „Experiences“ ins Leben gerufen und haben mich als Gastgeber in Vancouver (British Columbia) gefragt, ob ich nicht Lust hätte etwas lokales, speziell für Besucher und Touristen anzubieten. Meine Idee mit dem Wildlife Hike traf genau den Nerv und sie waren begeistert.

Die Wildlife Touren rund um Vancouver sind mittlerweile so beliebt, dass ich saisonal nun nichts anderes mehr mache, als mit Gästen aus aller Welt durch die schöne Natur zu wandern und ihnen die wilden Tiere zu zeigen die sprichwörtlich vor meiner Haustür leben. Erst neulich ist wieder ein Schwarzbär durch meinen Garten gewandert und hat der Nachbarschaft einen Besuch abgestattet. Das ist nichts Ungewöhnliches hier.

Foto: Hagen Pflueger, British Columbia - Kanada

Foto: Hagen Pflueger, British Columbia – Kanada

Das klingt ja so, als könnte jeder Wildlife Guide in Kanada werden?

Ganz so einfach ist das nun auch wieder nicht, schmunzelt Hagen: Ich arbeite seit Jahren mit Airbnb zusammen und die Touren werden über das Portal gebucht; auch aus versicherungstechnischen Gründen. Vor jeder Wanderung gibt es eine ca. 10-minütige Sicherheitseinweisung. Dabei händige ich ein Faltblatt (Bear facts sheet quer) aus, in dem Wissenswertes über Bären und mich drinsteht. Alle Gäste werden dann von mir sehr gut auf die Wanderung vorbereitet und ich erkläre die Verhaltensregeln, sollte uns tatsächlich einmal ein Tier sehr nahe kommen. Das passiert ziemlich oft, war aber noch nie ein Problem. Für den Ernstfall habe ich immer mein Bärenspray dabei und meistens auch ein Messer.

Wir müssen hier ganz klar zwischen Grizzlys und Schwarzbären unterscheiden. Schwarzbären sind nicht so aggressiv wie Grizzlys. Ich habe mittlerweile hunderte von Gästen betreut, darunter auch Familien mit kleinen Kindern, ohne irgendwelche Zwischenfälle.  Die Vorstellung, dass man für alles eine Lizenz braucht, ist typisch deutsch. Steckt mir aber auch noch in den Knochen. Deswegen habe ich mich bei 3 verschiedenen Verwaltungseinheiten und beim Tourismusverband rückversichert. Man braucht keine „Lizenz“. Sicher gibt es irgendwo Vereinigungen, wo man Kurse buchen kann und am Ende eine schicke Urkunde erhält, aber Pflicht ist sowas nicht. Was anderes ist es, wenn man in Regional Parks, Provincial Parks oder National Parks als Guide aktiv werden will. Da gibt es sehr hohe Hürden und Anforderungen. Aber meine Wanderung ist davon nicht betroffen.

Warum bist Du aus Deutschland ausgewandert?

Hm, es war eigentlich eine lupenreine Wirtschaftsflucht. Nur, dass wir eben nicht nach Deutschland rein, sondern aus Deutschland raus „geflohen“ sind. Den Grund habe ich 2006 in einem Satz zusammengefasst, der auch heute noch gültig ist: „Es ist uns in Deutschland nicht mehr möglich, auf ehrliche Art und Weise genug Geld zu verdienen, um der Familie einen gesicherten, durchschnittlichen Lebensstandard bieten zu können und gleichzeitig für unser Alter vorzusorgen!“

Ich war als Maurermeister selbstständig tätig und 2006 bis auf Hartz 4 abgestürzt. Zigtausende von (arbeitslosen) Handwerkern wurde seinerzeit ( in den Jahren von 2004 bis 2009) von den Arbeitsämtern nahegelegt ihr Glück im Ausland zu suchen. Unsere Auswanderungsgeschichte habe ich in Tagebuchform in einem E-Book festgehalten.

War der Neuanfang in Kanada schwierig?

Eigentlich hatten wir keinerlei finanzielle Mittel für eine Auswanderung. Ich war darauf angewiesen meinen Lohn zu erarbeiten, konnte aber schon nach wenigen Wochen Geld zu meiner Familie nach Deutschland schicken. Nach 2 Monaten im Land wurden bei mir dann Herzrhythmusstörungen festgestellt. Das war nicht grade hilfreich um die schwere körperliche Arbeit als Maurer zu verrichten. Aber irgendwie habe ich es hingekriegt.

Was ist Dein größter Traum als Wildlife Guide in Kanada?

Ich bin kein Träumer, sagt Hagen nach einer längeren Pause. Aber es wäre schön, wenn ich eines Tages ganzjährig (Foto-) Touren in die verschiedenen Regionen Kanadas anbieten könnte. Egal ob zu Fuß, mit dem Auto, Boot, oder Flugzeug. Es macht mir Spaß, meinen Gästen eine saubere, bequeme und gut ausgestattete Unterkunft zu bieten und Gästen etwas von meiner Wahlheimat zu zeigen. Auch wenn es manchmal nur für ein paar Stunden sind. Ich arbeite dran, meine Touren und Angebote zu erweitern. Schritt für Schritt. So funktioniert das in Kanada. Einfach machen. Vielleicht finde ich auch endlich den sagenumwobenen Big Foot, der hier in Kanada Sasquatch genannt wird! Kann doch nicht so schwer sein, witzelt Hagen. Der hat doch große Füße und hinterlässt wohl demnach auch große Fußspuren!

Dein Geheimtipp in Sachen Tierbeobachtungen in Kanada ?

Kaum zu glauben, aber Schwarzbären und übrigens viele andere Tierarten gibt es im Großraum Vancouver auf meinem Wildlife Hike zu sehen. Es ist gar nicht unbedingt nötig die abgelegensten Regionen Kanadas zu reisen. Nordamerika ist nun mal Bear Country. Man sollte eigentlich immer und überall darauf gefasst sein, einem Schwarzbären zu begegnen.

Waltouren werden von zahllosen Küstenorten wie Vancouver, Richmond und Vancouver Island aus angeboten. Grizzly Bären findet man weiter im Norden von BC. Aber in letzter Zeit gibt es auch vermehrt Grizzly Sichtungen nördlich von Campbell River auf Vancouver Island. Vorsicht, wer in dem Gebiet unterwegs ist. Die größte Anzahl von Berglöwen gibt es meines Wissens im Nordwesten von Vancouver Island. Eine kaum besiedelte Wildnis. Wölfe? Muss ich selbst noch (raus-)finden.

Wildtiere wie Bären direkt im Großraum Vancouver?! Wann ist die beste Zeit für Tierbeobachtungen?

Die Schwarzbären sind aktiv von ca. April bis in den Oktober, November. Die Hochzeit ist Juli, August und September. Ich biete meine Wanderung aber das ganze Jahr über an. Als passionierter Landschafts- und Wildtier- Fotograf bekomme ich einfach nicht genug davon den Wechsel der Jahreszeiten und die verschiedenen Tiere zu beobachten und zu fotografieren. Die Liste der Tiere, die ich auf meinen Wanderungen bisher fotografieren konnte ist lang: Schwarzbären, Bieber, Kojoten, Weisskopfseeadler, Fischadler, Fischreiher, Truthahn Geier, Enten, Gänse, Schwäne, Kormorane, Kolibris, Schlangen, Otter, Rehe, Schildkröten, Seehunde, Eisvögel, Lachse, Kraniche und unzählige andere Vogelarten.

Gern kann man mich auch ganzjährig als Tour Guide engagieren für individuelle Kurztrips mit dem Auto zu Sehenswürdigkeiten und den schönsten Plätzen rund um Vancouver. Oftmals abseits der bekannten Touristen Pfade.

Was ist Kanada für Dich?

Meine neue Heimat! Ich bin sehr dankbar, dass dieses Land mir einen Neuanfang ermöglicht hat und mich mit offenen Armen empfangen hat, als mein Geburtsland mich quasi „aussortiert“ hat.

Welchen Platz unter Deinen Top 10 Fernzielen nimmt Kanada für Dich ein?

Ganz klar Platz 1. Kanada hat einfach alles. Und ich habe mir die beste Provinz, Britisch Kolumbien, ausgesucht. Nicht zu heiß und nicht zu kalt. Wüste, Wälder, Felder, Berge, Seen, Ozean, Inseln. Eine riesige Artenvielfalt an Tieren und Pflanzen. Multikulturell, modern, zivilisiert, friedlich, freundlich und ein nicht zu beschreibendes Gefühl der Freiheit und Sicherheit. Kein anderes Land, das ich je besucht habe, kann mir das alles bieten. Ich lebe hier, in der Nähe von Vancouver, wo viele Menschen herkommen um Urlaub zu machen. Ich sehe wenig Grund, selber das Land zu verlassen. Manchmal mache ich Kurztrips in die USA. Aber eher selten. Die spinnen, die Amis!, sagt Hagen ironisch.

Welche Regionen Kanadas hast Du schon gesehen?

Pitt Lake in Pitt Meadows

Ein sehr geschätzter Arbeitskollege hat mir damals sehr früh folgendes mit auf den Weg gegeben. „Ein Menschenleben ist nicht lang genug, um all die schönen Plätze in Britisch Kolumbien zu sehen.“ Das hab ich mir zu Herzen genommen und versuche zuerst BC zu erkunden, bevor ich wild durch die Gegend fahre, nur um sagen zu können: „Da war ich auch mal.“ Aber selbst BC zu erkunden, wird bei mir wahrscheinlich doch noch einige Jahre, oder sogar Jahrzehnte dauern. Britisch Kolumbien ist fast 3 mal so groß wie Deutschland! Aber ich war auch schon mehrmals in Alberta zu Besuch. Ist auch ganz nett dort.

Welches war Dein schönster, schrecklichster, aufregendster, einsamster oder lustigster Moment in Kanada?

Oh, keine leichte Frage… da muss ich mal nachdenken…

Schönster Moment: Als mein Sohn Patrick und meine Frau Petra gelandet sind, nachdem ich die ersten 3 Monate alleine in Vancouver „auf Probe“ gelebt und gearbeitet habe.
Schrecklichster Moment: Als meine Frau Petra im Juni 2017 an Lungenkrebs verstorben ist.
Aufregendster Moment: Als ich an der US-Kanadischen Grenze festgesetzt und verhört wurde, weil mein deutscher Reisepass abgelaufen war und ich daher versucht habe „illegal“ in die USA einzureisen.
Einsamster Moment: Als ich nach der Beerdigung meiner Frau in Deutschland, wieder in Vancouver gelandet bin.
Lustigster Moment: Als ich einen Eimer eiskaltes Wasser mit Eiswürfeln über den Kopf meiner Frau ausschütten durfte. Damals hieß das die Icebucket Challenge.

Was unterscheidet Kanada von anderen Ländern für Dich?

Ich glaube, ich bin nicht genug Weltenbummler um das zu beantworten. Und als Tourist nimmt man alles nochmal anders wahr, als wenn man in einem Land lebt. Im Unterschied zu Deutschland fällt mir allerdings auf, dass es hier wesentlich freundlicher im Umgang miteinander zugeht. Der Ton in Deutschland ist ruppig und das Wort Service hat eine ganz andere Bedeutung. Die ärztliche Versorgung ist wesentlich besser, zumindest im Großraum Vancouver. Dieses entwürdigende Mehrklassensystem wie in Deutschland gibt es nicht. Auch gibt es hier selbst in den entlegensten Menschenarmen Siedlungen INTERNET. Diese neumodische Erfindung ist in weiten Teilen des ländlichen Deutschlands offensichtlich vollkommen unbekannt!, lacht Hagen.  Auch fällt mir auf, dass hier das Zusammenleben von ganz unterschiedlichen Kulturen, Religionen und Ethnien offenbar reibungsloser funktioniert als in Europa.

Was sollte man in Kanada gesehen oder erlebt haben?

Mich natürlich!,  sagt Hagen mit einem Lachen. Wer in der Vancouver Gegend lebt, sollte meinen Wildlife Hike nicht verpassen. Der ist zu allen Jahreszeiten eine schöne Wanderung und ein Erlebnis. Nicht nur, wenn die Bären unterwegs sind. Und die Fotos, die ich von meinen Gästen während der Wanderung mache, werden immer wieder hoch gelobt. Man kann auch eine Ferienwohnung bei mir buchen.

Kanada steht für Natur und wilde Tiere. Auch wer nicht in der Vancouver Gegend Urlaub macht, sollte Ausschau halten nach örtlichen Veranstaltern von Touren, Wanderungen oder Exkursionen aller Art. Man kann tausende Kilometer durch das Land fahren, ohne ein Tier zu Gesicht zu bekommen. Besser ist, man folgt einem Local und der zeigt einem dann, was man sehen möchte. Sei es schöne Wanderungen und Natur pur, Wale, Bären oder andere wilde Tiere. Nichts geht über die Ortskenntnisse der Einheimischen. Und meistens lernt man dabei auch noch etwas.

Dein kanadisches Lieblingsessen und liebster kulinarischer Ort?

Ich gehe immer wieder gerne zu Pajo’s. Dort gibt es lecker Fish & Chips.  Pajo’s gibt es in Port Moody, und Richmond. Es schießen hier in letzter Zeit immer mehr kleine Breweries aus dem Boden. Kleine Kneipen, die ihr eigenes Bier brauen. Ich muss die aber erstmal alle ausprobieren, bevor ich Empfehlungen aussprechen kann. Wer kommt mit?

Deine Lieblingsorte in British Columbia?

Zu viele Orte, um sie alle aufzuzählen. Siehe oben. Ucluelet’ s raue Küste und Tofino‘ s Strände an der Westküste von Vancouver Island sind aber ganz oben auf der Liste. Campbell River auf Vancouver Island gefällt mir auch sehr gut. Und ich war neulich auf Quadra Island, eine Insel vor Vancouver Island. Wer sich dort mal hin verirrt, sollte auf jeden Fall den Rebecca Spit Marine Provincial Park besuchen und einige Stunden dort einplanen.

Buchtipp:

E-Book: Tschüss Deutschland – Hello Canada schildert in Tagebuchform die Auswanderungsgeschichte unserer Familie in den Jahren 2006 bis Herbst 2012.

Weitere Infos:

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Wanderungen mit Tierbeobachtung im Großraum Vancouver können hier gebucht werden:
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